Chianti Classico Update

Chianti Classico Update

Chianti ist der Klassiker, Chianti Classico seine Topqualität.  Klar wird hier, im Kerngebiet, der Trend zu mehr Eleganz und Frische spürbar. Chianti Classico DOCG schmeckte noch nie so gut.

Zu diesem Schluss kam ich Mitte Februar in Florenz, als die brandaktuelle Chianti Classico Collection 2019 vorgestellt wurde. Ich hatte den Chianti zuletzt ein wenig vernachlässigt, denn zu oft lösten mittelmäßige, nichtssagende Weine eher Ärger denn Vergnügen aus. So brachte die zweitägige Anteprima-Verkostung, zu welcher 200 Journalisten aus 30 Ländern nach Florenz strömten, ein dringend notwendiges Update. Rund 50 italienische Sommeliers servierten in der Stazione Leopolda Kostproben von 474 verschiedenen Weinen in den drei Kategorien des Chianti Classico – Annata, Riserva und Gran Selezione.

Austauschbarkeit als Intermezzo

Chianti Classico beginnt südlich von Florenz und reicht fast bis Siena. Die bekanntesten Weinorte im Herzen der Toskana heißen Greve-, Castellina-, Gaiole- und Radda in Chianti. Unangefochtene Hauptrebsorte ist Sangiovese und aus mindestens 80 Prozent Sangiovese muss Chianti Classico DOCG bestehen. Traditionell wurde der Sangiovese mit anderen gebietstypischen Sorten – Canaiolo, Colorino, Malvasia nera u.a. – verschnitten, doch kamen während der 1980er und 1990er Jahre internationale Rotweinsorten auch in der Toskana in Mode. „Supertuscans“ wie Sassicaia, Ornellaia oder Masseto, gekeltert aus Cabernet Sauvignon, Merlot und Cabernet franc, feierten ihre Erfolge.
So entschieden sich auch viele Chianti-Classico-Winzer für Merlot oder Cabernet Sauvignon als Cuvée-Partner – Fruchtsüße, Kraft und Schmelz verliehen den Weinen eine neue Gefälligkeit. Röstnoten vom Einsatz neuer Barriques verwässerten den einzigartigen Charakter von Sangiovese zusätzlich. Der Geschmack der Weine wurde immer austauschbarer und der Stil eines eleganten, von seinem Terroir geprägten Chianti Classico ging quasi verloren.

Rückkehr zur Feinheit

Doch die fetten Jahre sind vorbei. Nun, da nicht mehr Fülle und Konzentration, sondern Frische, Trinkfluss und präzise Frucht die erklärten Ziele vieler Winzer sind, kommen die Eigenständigkeit und die Typizität von Sangiovese wieder klarer zu Tage. Merlot und Cabernet werden immer öfter verbannt, nicht wenige Winzer setzen auf „Sangiovese in purezza“ oder auch auf den Verschnitt mit den alten autochthonen Rebsorten.
Erfreulicherweise ist der Anteil an biologisch bewirtschafteten Rebflächen im Chianti-Classico-Gebiet besonders hoch und liegt momentan bei knapp 20 Prozent, Tendenz steigend. So habe ich mich beim Verkostungsmarathon in Florenz vor allem auf die Weine der Bio-Produzenten gestürzt, denn schon oft habe ich in diesem Bereich die spannendsten Qualitäten entdeckt. Ich wurde nicht enttäuscht.

Eleganz und Trinkfreude

Die Verkostung bot viele schöne Weine, ein paar Produzenten möchte ich unbedingt hervorheben: Ganz im Süden, in Castelnuovo Berardenga, liegt das Weingut Castell’in Villa, welches seine überaus charakterstarken Weine später als alle anderen auf den Markt bringt. Coralia Pignatellis aktueller Chianti Classico 2014 ist ein feingliedriger, hellfruchtiger, hundertprozentiger Sangiovese und überzeugt mit viel Frische, Balance und charmanter Frucht. Die Riserva vom Jahrgang 2013, ausgestattet mit allerfeinsten Tanninen, Noten von Blutorangen und besonders saftiger Säure gehörte zu den ganz großen Highlights.
Im zentralen Weinort Radda in Chianti befinden sich die Weingüter Istine, Val delle Corti und Poggerino. Alle drei zeigten eindrucksvoll, wie wunderschön Chianti Classico vom Jahrgang 2016 sein kann, aber auch wie gut Sangiovese sein Terroir transportieren kann. Lebhafte Säure, kernige Struktur und feine Mineralität prägen die Weine von den kalkhaltigen Alberese-Böden.
Die Weine des biodynamischen Weingut Montesecondo in San Casciano in Val di Pesa, ganz im Nordwesten von des Anbaugebietes, zählen zu den Naturweinen, welche mit möglichst wenig Eingriffen im Keller und geringer Schwefelzugabe vinifiziert werden. Zum Teil werden die Weine in Amphoren ausgebaut. Selbst der noch extrem junge Chianti Classico 2017 aus Sangiovese und je fünf Prozent Canaiolo und Colorino hält sich wunderbar elegant und bereitet schon jetzt großes Trinkvergnügen.