Gerüttelt, nicht gerührt

Gerüttelt, nicht gerührt

Der Trend zum Sekt hat auch Deutschland erfasst. Sekthersteller schlagen zunehmend einen kompromisslosen Qualitätskurs ein und zu anerkannten Top-Produzenten gesellen sich spannende Newcomer – frischer Wind in der Sektzsene.

Fast fünf Flaschen Sekt im Jahr trinken die Deutschen pro Kopf und sind damit Weltmeister. Der Großteil ist billige Massenware, während Qualitätsschaumwein weniger als drei Prozent ausmacht. Aber gerade an dieser schmalen Qualitätsfront gibt es viel Bewegung und immer mehr spannende Produkte. Die deutschen Winzersekte werden auch tendenziell trockener – vor allem im Top-Bereich liegen die Stile „brut nature“ und „zero Dosage“ im Trend.

Etablierte Spitze

Als bester Sekterzeuger Deutschlands gilt seit Jahren das Sekthaus Raumland, welches Volker und Rose Raumland vor knapp 20 Jahren in Flörsheim-Dalsheim in Rheinhessen gegründet haben. Biologischer Säurebabbau, Klassische Flaschengärung und lange Hefelagerung sind ganz selbstverständlich und lassen hochelegante Winzersekte entstehen, die mitunter an Champagner erinnern, aber ganz klar Eigenständigkeit und Herkunft zeigen. Vier großartige Vintage-Sekte vom Jahrgang 2008 kamen erst 2018 – nach zehn Jahren Hefelager – in den Verkauf. Volker Raumland schätzt die Marktchancen auch für solch hochwertige Sekte gut ein: „Da Champagner immer teurer werden und die deutschen Top-Sekte immer besser, lassen sich auch die Konsumenten zunehmend überzeugen – national und international gewinnen wir hier einen Markt.“

Der lässigste Newcomer

In Bensheim an der Hessischen Bergstraße kaufte der Unternehmer Jürgen Streit vor fünf Jahren die ehemalige Domäne Bergstraße der Hessischen Staatsweingüter. Wenig später entstand daraus das Sekthaus Griesel & Compagnie, benannt nach dem Standort in der Grieselstraße, wo nun der junge Niko Brandner für die Sektproduktion verantwortlich ist. Der Quereinsteiger hängte seinen Bankberuf schon nach ein paar Jahren an den Nagel, absolvierte ein Studium am Weincampus Neustadt und stürzte sich auf die Sektherstellung. „Weinmachen ist ja kein Geburtsrecht“, lacht Niko Brandner, „es kann auch etwas Gutes herauskommen, wenn es sich nicht um das Erbe der Eltern handelt. Ich fand Sekt schon immer irre faszinierend.“ Bei Griesel werden Trauben in erster Linie aus der Pfalz und von der Hessischen Bergstraße zugekauft. Der Schwerpunkt liegt auf Burgundersorten, beim Ausbau der Weine kommen sowohl Stahltanks als auch Holzfässer zum Einsatz und das Sortiment besteht aus drei Qualitätsstufen: Tradition, Prestige und Exquisit. Mit der Dosage, also der Zugabe von Restsüße, wird prinzipiell gespart. Die höchste Dosage, sechs bis acht Gramm pro Liter – damit immer noch im unteren Bereich von „brut“, erhalten die Sekte der Linie „Tradition“. Bei Top-Produkten wie Pinot Prestige brut nature und Grande Cuvée Exquisit Dosage zero wird zudem die Zugabe von Schwefel sehr niedrig gehalten. Der Griesel-Stil ist präzise, cremig-fein und kantig zugleich.

Frucht- oder Hefenoten?

Während Griesel die Burgundersorten in den Fokus stellt, widmen sich andere Sekthäuser intensiv dem Riesling. Deutschlands Hauptsorte bestreitet rund die Hälfte der Sektproduktion. Die von Natur aus hohe Säure und der niedrige pH-Wert von Riesling ergeben prinzipiell gute Voraussetzungen für die Schaumweinproduktion. Die Herausforderung ist, eine stimmige Balance zwischen der charakteristischen Riesling-Frucht und den bei der Hefelagerung entstehenden Autolyse-Noten zu finden. Auch die sortentypischen Petrolnoten gilt es zu vermeiden; sie machen sich nur selten gut in der Schaumwein-Aromatik. Viele Konsumenten ziehen die Frucht den hefigen Noten vor und so ist fruchtbetonter Riesling-Sekt – mit mehr oder weniger deutlicher Dosage – nach wie vor sehr beliebt.

Biodynamischer Winzersekt

Mit allzu viel Restsüße will man bei Andres & Mugler in Ruppertsberg in der Pfalz lieber nicht schmeicheln, fruchtbetont ist der Stil des Hauses sehr wohl. Steffen Mugler und Michael Andres haben ihren reinen Sektbetrieb 1989 als Hobby gegründet und seither viel experimentiert. Nun haben sie ihren Weg gefunden und als Ziel definiert, die Frische und den Charakter der Rebsorte zu erhalten. „Deutscher Sekt ist eigenständig, wir wollen nicht Champagner imitieren. Darüberhinaus muss man verrückte Dinge tun, damit neue Türen aufgehen“, schmunzelt Steffen Mugler als er stolz erzählt, dass die Weingärten schon 2006 auf Bio-Produktion umgestellt waren und seit einigen Jahren nach biodynamischen Richtlinien gearbeitet wird. Michael Andres erklärt, dass das Rütteln der Flaschen ausschließlich von Hand geschieht: „Allein das Rütteln dauert 21 Tage und erfolgt zweimal pro Tag. Insgesamt nehmen wir jede einzelne Flasche mindestens 50 Mal in die Hand.“

150 schäumende Jahre

Ein Traditionsbetrieb ist die Sektmanufaktur Schloss Vaux in Eltville im Rheingau, wo seit 150 Jahren Sekt produziert wird. Christoph Graf, der Vertriebs-Chef, betont ebenfalls die Eigenständigkeit der Produkte: „Das Profil von deutschem Sekt sollte sich nicht zu nah an Champagner lehnen. Nur so kann ein Schaumwein entstehen, der anders ist und am Markt reüssieren kann.“
Aktuell produziert Schloss Vaux 14 verschiedene Sekte. Ein knappes Viertel der Produktion stammt von eigenen Rebflächen. An der Spitze des Sortiments stehen die Einzellagen-Sekte von den Rheingauer Top-Lagen Erbacher Marcobrunn und Rüdesheimer Berg Schlossberg. Christoph Graf erklärt zur Philosophie des Hauses: „Jahrgangssekte stehen prinzipiell im Vordergrund. Im heutigen Klima ist das Verschneiden von Weinen unterschiedlicher Jahrgänge nicht unbedingt nötig, da die physiologische Reife der Trauben in jedem Jahr ausreichend ist. Die Qualität stimmt und wir können mit relativ geringen Dosagen ausgewogene und trinkanregende Sekte herstellen. Reserveweine zurückzuhalten, wie es in der Champagne üblich ist, hat bei uns einfach keine Tradition.“

Neu: VDP.Sekt.Statut

Erst vor wenigen Monaten hat der VDP (Verein Deutscher Prädikatsweingüter) als Qualitätsoffensive eine Sektklassifikation beschlossen. Laut VDP.Sekt.Statut dürfen die 195 Mitglieder des Vereins der deutschen Weinelite nun – parallel zur Weinklassifikation – Gutssekt, Ortssekt und Lagensekt (VDP.Erste Lage und VDP.Grosse Lage) abfüllen. Je nach Qualitätsstufe wurden diverse Qualitätskriterien, wie zum Beispiel die Dauer der Hefelagerung, definiert. VDP-Winzer, die bereits für hervorragende Sekte stehen, sind das Schlossgut Diel, Reichsrat von Buhl, Bassermann-Jordan und etliche mehr. Mark Barth vom Wein- und Sektgut Barth in Hattenheim im Rheingau, der zu einem Drittel Schaumweine produziert, ist ebenfalls sehr zufrieden mit der neuen Klassifikation: „Wir haben bereits vor einigen Jahren begonnen, auch Lagennamen auf die Sektetiketten zu drucken. Nun werden wir als erstes Weingut eine Sektkreation als „VDP.Grosses Gewächs“ auf den Markt bringen.“ Obwohl die VDP-Klassifikation Sekt-Spitzenproduzenten wie Raumland, Schloss Vaux oder Griesel ausschließt, begrüßen auch viele Nicht-VDP-Mitglieder die Initiative als Wegweiser zu qualitativ hochwertigen Sekten in Deutschland.