Kein Schwefel, kein Dogma

Kein Schwefel, kein Dogma

Für viele ist Schwefel aus der Weinbereitung kaum wegzudenken. Gleichzeitig versuchen immer mehr Winzer und Winzerinnen, den Schwefeleinsatz zu reduzieren – besonders im Biobereich. Auch gänzlich ungeschwefelte Weine trifft man häufiger. Zwei Winzer im Interview.

Unverzichtbares Konservierungsmittel oder unbekömmliches Teufelszeug? Weder noch! Des Schwefels konservierende Eigenschaften waren bereits in der Antike bekannt, und noch heute macht Schwefeldioxid (SO2) Wein, Trockenfrüchte und andere Lebensmittel haltbar. „Enthält Sulfite“ lautet seit einigen Jahren ein verpflichtender Warnhinweis auf Weinetiketten. Fest steht: Echte Schwefelallergien gibt es äußerst selten, leichte Unverträglichkeiten kommen aber vor.

Jede Menge Schwefel

Eine Schwefelung – fest, flüssig oder gasförmig – kann zu verschiedenen Zeitpunkten der Weinwerdung erfolgen: bereits direkt auf die frisch geernteten Trauben – wenn das Lesegut Fäulnis-Anteil aufweist; bei der Traubenverarbeitung als Zusatz zur Maische oder zum Most; später beim Jungwein und/oder bei der Abfüllung. Schwefeldioxid schützt vor Oxidation, wirkt antimikrobiell und bindet das aromatisch störende Acetaldehyd. Gleichzeitig kann die Schwefelgabe aber Aroma und Ausdruck eines Weines beträchtlich maskieren.
Den gesetzlichen Grenzwerten entsprechend dürfen trockene Rotweine 150, trockene Weißweine 200 und Süßweine und bis zu 400 Milligramm pro Liter Gesamt-SO2 enthalten. Für Bioweine gelten jeweils 50 Milligramm weniger. Vielen Winzern und Winzerinnen, die ihr Weingut biologisch oder biodynamisch betreiben, reicht dies nicht. Sie streben danach – dem aktuellen Trend zum Low-Intervention-Winemaking mit minimalen Zusätzen folgend – mit immer weniger SO2 auszukommen. Manchmal lassen sie es für bestimmte Weine auch ganz weg. So nimmt die Zahl an ungeschwefelten Weinen zu, wobei es – spitzfindigerweise – „schwefelfreie“ Weine nicht gibt, da schon die Hefen bei der alkoholischen Gärung eine kleine Menge an Schwefelverbindungen erzeugen.

Rainer Hack und Alfred Moritz im Interview

Für einen Artikel im Magazin GENUSS 1/2020 habe ich zwei Winzer zu ihren ungeschwefelten Weinen befragt. Rainer Hack vom Weingut Warga-Hack im südsteirischen Sausal und Alfred Moritz aus Horitschon.

Welche Grundvoraussetzungen gibt es, um Weine ohne die Zugabe von SO2 zu vinifizieren?
Rainer Hack: Wir verwenden dabei wirklich nur das wertigste Material, das heißt, die Trauben müssen in einem perfekten Zustand sein. Der Ausbau der Weine erfolgt im Holzfass und findet damit gezielt unter Sauerstoffeinfluss statt.
Alfred Moritz: Auf jeden Fall muss es sich um hochwertigste Weine mit ausreichendem Alkoholgehalt, kräftigem Körper, relativ hohem Säuregehalt und entsprechender Tanninstruktur handeln.

Worauf achten Sie beim Weinausbau ohne SO2 besonders?
Rainer: Auf die mikrobiologische Stabilität – die behalte ich immer im Auge. Wenn sich zum Beispiel zu viel an Flüchtiger Säure bemerkbar macht und ich eine Tenzdenz in Richtung Essigstich bemerke, dann greife ich ein. Schon 2013 fing ich an, bei den maischevergorenen Weißweinen ohne Schwefel zu arbeiten, ab 2015 habe ich es dann auch bei nicht mazerierten Weinen versucht, wie beim Grauburgunder 2016, der im Fass zwei Jahre auf der Vollhefe lag.
Alfred: Einerseits bleiben diese Weine wesentlich länger auf der Hefe, andererseits arbeite ich auch mit ganzen Trauben – also mit den Stielen – bei der Vergärung, damit der höhere Gerbstoffgehalt einen zusätzlichen Schutz bietet. Grundsätzlich vinifiziere ich alle Weine mit möglichst wenig Schwefel. Das bedeutet natürlich, dass man die Entwicklung jedes einzelnen Fasses ganz genau beobachten muss.

Was bewegt einen Winzer dazu, ungeschwefelte Weine herzustellen?
Rainer: Wir arbeiten biodynamisch und somit auch im Keller grundsätzlich sehr minimalistisch, mit einfachsten Mitteln und nur der notwendigsten Ausstattung – seit Kurzem haben wir nicht einmal mehr einen Filter am Weingut. Bei Verkostungen und beim Austausch mit Kollegen haben wir außerdem oft feststellen können, dass gerade die ungeschwefelten Weine nach einigen Jahren die lebendigsten sind.
Alfred: Zuerst war es ganz einfach das Interesse daran, mit wie viel oder wie wenig Schwefel man auskommen kann. Die Erfahrungen haben mir gezeigt, dass es mit etwas höherem Aufwand – Aufrühren der Feinhefe, späterer Abzug, Verzicht auf Filtration – relativ einfach ist, vollkommen auf Schwefel verzichten, ohne dass der Wein oder auch dessen Lagerfähigkeit leidet.

Wie reagieren die Konsumenten auf ungeschwefelte Weine?
Rainer: Prinzipiell zeigen sich alle interessiert. Auch Leute, die zu uns auf den Hof kommen, kosten bereitwillig alles und es gibt nur mehr ganz wenige, denen das gar nicht schmeckt. Am Markt befinden wir uns natürlich in einer kleinen, feinen Nische, in der ungeschwefelte Weine gar nicht mehr so selten sind.
Alfred: Ich meine ja grundsätzlich, dass Schwefel nicht „verteufelt“ werden darf. Der Zusatz von SO2 ist oft ganz einfach notwendig! Niemand will fehlerhafte Weine – auch und vor allem die Konsumenten nicht. Sie sind oft überrascht, dass es auch ohne geht – und greifen dann gern zu diesen Weinen, auch wenn der Preis aufgrund des Arbeitsaufwandes etwas höher ist. Aber ich sage auch: Besser ein fehlerfreier, leicht oder minimal geschwefelter Wein als ein fehlerhafter, ungeschwefelter Wein.

Wie geht es weiter? Ist es ein Ziel, irgendwann alle Weine ohne Schwefelzusatz herzustellen?
Rainer: Zur Zeit bereite ich etwa 40 Prozent meiner Weine ohne SO2 und würde diesen Anteil gern noch weiter steigern. Aber ich bin kein Dogmatiker und wir werden auch sehen müssen, wie sich der Markt entwickelt. Momentan bin ich zuversichtlich, besonders im Export. In Japan zum Beispiel verkaufen wir ausschließlich die ungeschwefelten Weine.
Alfred: Das ist kein grundsätzliches Ziel. Wein ist ein Naturprodukt, das sich nicht in ein enges, vorgegebenes Korsett zwängen lässt. Auch in Zukunft werde ich mir jeden einzelnen Wein ganz genau ansehen und eingreifen, wenn es notwendig erscheint, denn „antiautoritäre Erziehung ist nicht per se positiv“.

Artikel erschienen im Magazin Genuss 01/2020